Vor 79 Jahren wurde die Stadt Nassau mehrfach bombardiert. Von vier Angriffen zwischen Januar und März 1945 war Nassau von den Fliegerattacken am 2. Februar und am 19. März am stärksten betroffen. Dabei kamen insgesamt 130 Zivilisten und 75 Soldaten ums Leben. Die allermeisten der damals rund 2600 Einwohner wurden obdachlos. Unter den Opfern der Bombardierung am 19. März war auch ein Bewohner der damaligen Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern.
Karl Geiling arbeite seit Ende 1942 stundenweise in der Molkerei in Nassau, unter der auch einer der Luftschutzkeller der Stadt lag. Dort erledigte er seine Aufgaben „im Allgemeinen ordentlich und mit einigem Geschick“. Er fiel einem Bombentreffer auf die Molkerei in der Amtsstraße 15 zum Opfer. Der gebürtige Frankfurter starb im Alter von gerade einmal 18 Jahren. Seine Bewohnerakte trägt den Vermerk: „Gefallen beim Fliegerangriff auf Nassau“. Die Sterbeurkunde datiert seinen Tod auf den 19. März, 12.20 Uhr.
Drei Tage später informierte der Direkter der Anstalt Scheuern seine Mutter Elli Rabenstein, dass Karl bei „einem Terrorangriff“ ums Leben gekommen sei. „Seine Leiche konnte bis jetzt nicht gefunden werden“, heißt es in dem Brief. Die Post kam nicht in Frankfurt an. Deshalb schrieb der Direktor am 31. Oktober 1945 erneut an die Mutter von Karl Geiling. Seine Leiche wurde jedoch erst mehr als zwei Jahre später – Ende April 1947 - bei der Beseitigung der Trümmer der ehemaligen Molkerei geborgen.
Die Beisetzung fand am 2. Mai 1947 auf dem Nassauer Friedhof statt. Erst am Tag nach der Beerdigung schrieb der Pfarrer und Direktor der Anstalt Scheuern an die Mutter des Verstorbenen. Ihre Antwort datiert vom 31. Mai. „Sie, Herr Direktor, können es sicher einer Mutter nahe fühlen, wie es ihr zu Mute ist zu wissen, dass ihr Sohn, der so jung aus ihrem Herzen gerissen wurde, jetzt nach so langer Zeit seine letzte Ruhestätte gefunden hat“, schreibt Elli Rabenstein darin.
Am selben Tag wie Karl Geiling, am 19. März 1945, kamen allein im Keller der Brauerei weitere 57 Menschen um. Bei den Luftangriffen am 2. Februar waren neben 42 Zivilisten auch 72 Soldaten getötet worden. Sie wurden im Kurhaus behandelt, das damals eins von insgesamt sechs Lazaretten in Nassau war. Auch die Anstalt Scheuern beherbergte verletzte Soldaten.
Auch wenn die im Frühjahr 1945 von den Alliierten auserkorenen Zielen alle im Bereich der Stadt Nassau lagen, entkam der Ortsteil Bergnassau-Scheuern nur knapp schweren Schäden. In der Glockenstraße – nur einen Steinwurf vom Gelände der Stiftung Scheuern entfernt auf dem Weg zur Burg gelegen – fand man in den 1970er-Jahren bei Bauarbeiten eine Fünf-Zentner-Bombe der US-Luftwaffe. Diese war Ende 1944 dort eingeschlagen, ohne zu explodieren. Etwa zur selben Zeit wurde ein Jagdflugzeug der Deutschen Luftwaffe über Scheuern abgeschossen und stürzte in der Glockenstraße ab.
Die Stadt Nassau, der Geschichtsverein, der Leifheit-Campus und die evangelische Kirchengemeinde erinnern am 79. Jahrestag des schweren Bombenangriffs, Dienstag, 19. März, an die Opfer. Um 12 Uhr findet eine Gedenkstunde am Günter-Leifheit-Kulturhaus statt. Dort ist eine Gedenktafel angebracht, weil sich dort die Kellergewölbe der Brauerei befanden, in denen viele Nassauer Bürger zu Tode kamen.