Ihre Geschichte macht deutlich, dass die erfolgreiche Integration von Arbeitskräften aus dem Ausland kein Selbstläufer ist. Sie erfordert Zeit und Engagement auch seitens des Arbeitgebers. „Das geht nicht mal eben so nebenbei“, sagt Patricia Seibel vom Personalmanagement der Stiftung Scheuern. „Dafür sind zeitliche und personelle Ressourcen notwendig.“ Oder wie Bernd Feix, Pädagogischer Vorstand, es sagt: „Wir brauchen jemanden, der sich darum kümmert.“
Zunächst hatte es Hanna Mariya Mathew die Mathematik angetan. In ihrer Heimat absolvierte sie ein Bachelor-Studium in diesem Fach. Nebenbei half sie ehrenamtlich in einem Altenheim. Bald merkte sie, dass ihre berufliche Zukunft nicht in den Naturwissenschaften, sondern im Sozialen liegt. Der Wunsch, im Bereich Pflege zu studieren, brachte sie zunächst nach Frankfurt. Über einen Kontakt zu einem Landsmann erfuhr sie von der Möglichkeit, ein FSJ in der Stiftung Scheuern zu machen. „Dort habe ich gesehen, wie schön die Arbeit in der Eingliederungshilfe sein kann“, sagt Hanna Mariya Mathew. Schnell reifte der Entschluss, nach dem FSJ eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin zu machen. Was für deutsche Staatsangehörige ein logischer nächster Schritt ist, stellte die junge Frau aus Indien und die Stiftung Scheuern vor einige Herausforderungen.
Viele Schleifen waren zu drehen, viele Klippen zu umschiffen. Dabei hat die Stiftung Scheuern Hanna Mariya Mathew eng begleitet und unterstützt. „Mithilfe der Ausländerbehörde bei der Kreisverwaltung Rhein-Lahn haben wir nach und nach die Stolpersteine umgangen“, sagt Bernd Feix. Er spricht von einem „gemeinsamen Lernprozess“, den Stiftung und beteiligte Behörden durchliefen. Im Nassauer Sozialunternehmen kümmerten sich vor allem Patricia Seibel und Projektleiter Wolfgang Grüttner um alle Fragen rund um das Ausländerrecht und die bürokratischen Anforderungen. „Man muss da schon tiefer in die Thematik einsteigen“, sagt Wolfgang Grüttner, der sich parallel im Rahmen eines Projekts ein Jahr lang mit dem Thema Willkommenskultur in der Stiftung Scheuern beschäftigt hat.
Für Menschen aus dem Ausland ist der Berufseinstieg in Deutschland ein Kraftakt, zumal, wenn sie aus einer völlig anderen Kultur stammen und kein oder wenig deutsch sprechen. „Die Stiftung Scheuern hat mir sehr dabei geholfen und mich immer unterstützt“, sagt sie. Nicht nur regelmäßiger Kontakt zur Ausländerbehörde gehörte dazu. Für Hanna Mariya Mathew wurde eine Wohnung organisiert, ein Sprachkurs bei der Volkshochschule gebucht und die Eingewöhnung in die neue Kultur begleitet. Ihre Praxisanleiterin Madlen Lindner und ihre Kolleginnen und Kollegen unterstützten die FSJlerin über das Dienstliche hinaus zum Beispiel bei der Beschaffung von Möbeln für ihn neues Zuhause.
Auch in der Berufsfachschule in Boppard, wo Hanna Mariya Mathew einen Schulplatz im Bereich Heilerziehungspflege bekommen hat, erfährt sie viel Hilfe. „Die Klassenkameraden und die Lehrkräfte haben mich sehr herzlich aufgenommen“, sagt die junge Frau aus Indien. Zudem ist sie froh, dass ihr Aufenthaltsstatus nun geklärt ist. So kann sie in den Weihnachtsferien zum ersten Mal seit drei Jahren in ihre Heimat reisen, um Familie und Freunde wiederzusehen.
Weil Unterstützung von Anfang an und in vielen Bereichen notwendig ist, will die Stiftung Scheuern die Ressourcen dafür schaffen. „Wir wollen uns den Herausforderungen stellen“, sagt Vorstand Bernd Feix. Denn der Mangel an Fachkräften muss mit Menschen aus dem Ausland ausgeglichen werden, damit die Aufgaben der Eingliederungshilfe in Zukunft erfüllt werden. Hanna Mariya Mathew ist dabei nur der Anfang einer Entwicklung in der Stiftung Scheuern. Gerade hat ein Mann aus Kolumbien ein Freiwilliges Soziales Jahr in Scheuern begonnen; ein weiterer FSJler von den Philippinen wird in Kürze erwartet.
Das mittlerweile abgeschlossene Projekt Willkommenskultur „reicht noch weiter als die Begleitung von FSJ’lern aus dem Ausland“, sagt Wolfgang Grüttner. Dabei geht es generell um die Frage, wie neue Mitarbeitende und Auszubildende einen bestmöglichen Einstieg in ihr neues Tätigkeitsfeld und in die Stiftung Scheuern finden und sich zum Bleiben entscheiden. Herausgekommen ist ein Bündel von Maßnahmen, aber auch die Erkenntnis, dass es einen festen Ansprechpartner im Personalmanagement geben muss. Dieser soll den notwendigen Freiraum bekommen, um sich intensiv um das neue Aufgabenfeld zu kümmern. Viele wichtige Erfahrungen hat die Stiftung Scheuern bereits gewonnen. „Es gibt einen groben Fahrplan, was bei FSJlern aus dem Ausland zu tun ist, aber jeder Fall ist anders“, sagt Wolfgang Grüttner.