Wie dieser Übergang gelingen kann, mit welchen Chancen, aber auch Herausforderungen er verbunden ist, verdeutlichten die drei Stationen seines Besuchs. Zum Beispiel der Aufenthalt im CAP-Markt, den die Inklusa gGmbH, eine 100-prozentige Tochter der Stiftung Scheuern, seit vier Jahren in Hillscheid betreibt: Er bietet unter anderem sechs Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Der CAP-Markt, in dem im Tagesdurchschnitt 500 Kunden einkaufen, habe eine Lücke in der Westerwaldgemeinde geschlossen, in der es vor der Eröffnung zwei Jahre lang keinen Supermarkt gab, erklärte der Geschäftsführer der Inklusa gGmbH, Jörg Röder, dem Gast aus Mainz. Allerdings: „Wir würden sehr gerne beeinträchtigte Jugendliche ausbilden. Wegen der schlechten Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gestaltet sich dies aber sehr schwierig.“ In diesem Zusammenhang berichtete Matthias Rösch von einer Tagung in Koblenz, auf der es unter anderem um die bessere Nutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel für Werkstattbeschäftigte im nördlichen Rheinland-Pfalz ging. „Barrierefreiheit verhilft zu mehr Selbstständigkeit in der Mobilität und ist eine wesentliche Voraussetzung für Inklusion“, betonte Rösch. Eingehend erkundigte er sich bei Jörg Röder, aber auch bei Bernd Feix, dem Leiter des Geschäftsbereichs Behindertenhilfe bei der Stiftung Scheuern, dem Fachbereichsleiter Werkstätten Jörg Bremser und CAP-Marktleiter Oliver Zils nach den Arbeitsabläufen im CAP-Markt. Und lernte im Lager zwei „Kleinigkeiten“ kennen, die den insgesamt 13 Mitarbeitern mit und ohne Behinderung den Arbeitsalltag leichter machen: So helfen Fotos beim Sortieren des Leerguts, und ein spezieller Transportwagen mit zusätzlicher, auf Hüfthöhe herausklappbarer Ablagefläche ermöglicht es, Waren ein- und auszuräumen, ohne sich dabei bücken zu müssen.
Ortswechsel von der Westerwaldgemeinde in die Kurstadt: Im Herzen von Bad Ems hat die Stiftung Scheuern vor sechs Jahren den Berufsbildungs- und Integrationsservice, kurz BIS, etabliert. BIS-Leiterin Alexandra Sniehotta erläuterte die zwei Säulen der Einrichtung: den Berufsbildungsbereich, der Menschen mit Behinderung mithilfe von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in der Werkstatt qualifiziert und sich dabei an allgemeinen Berufsbildern orientiert, und den Integrationsservice, der seinen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Praktikums- und Arbeitsplätzen und die Unterstützung der Menschen durch Bildungsbegleiter legt. Matthias Rösch lernte sowohl den fachpraktischen Teil des BIS, eine kleine Montageabteilung, als auch den fachschulischen Part kennen: Einmal pro Woche eignen sich die von der Stiftung Scheuern betreuten Menschen im BIS Wissen zu Themen wie Gesundheitsschutz oder Verhalten am Arbeitsplatz an. Sehr aufschlussreich war auch das Gespräch mit dem Werkstattratsvorsitzenden der Stiftung Scheuern, Mark Solomeyer, der auf einem Außenarbeitsplatz im Bad Emser Eine-Welt-Laden tätig ist und sich dort, wie er es formulierte, „total wohlfühlt“. Zum Glück habe sich die Sichtweise, was den Übergang auf den erstenArbeitsmarkt betrifft, stark verändert, betonte Pfarrer Gerd Biesgen, Vorstand der Stiftung Scheuern: „Früher ging es vorrangig darum, Menschen mit Behinderung für eine vorgegebene Arbeit zu qualifizieren. Heute werden die Angebote zum Glück sehr viel stärker auf den betreffenden Menschen zugeschnitten.“
Entscheidend sei es, bestehende Sonderwelten zu überwinden, fügte Matthias Rösch hinzu: „Wir müssen überlegen, wie wir es hinbekommen, dass sich Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an begegnen. Dazu muss sich die Gesellschaft, aber auch die Sonderwelt öffnen.“
Nachdem sich der Landesbehindertenbeauftragte beim Mittagessen in der Kreisverwaltung mit Landrat Frank Puchtler und dem neuen, ab 1. August amtierenden Behindertenbeauftragten des Rhein-Lahn-Kreises, Bernd Dietrich, ausgetauscht hatte, stand auch schon die dritte Station dieses ebenso informativen wie ereignisreichen Besuchs an: Adolf Kraft, Produktionsleiter des Kompetenzzentrums Bäderstraße der Eaton Industries GmbH, führte durch den Standort Dausenau, wo zurzeit elf von der Stiftung Scheuern betreute Menschen Außenarbeitsplätze haben und im Team mit ihren nichtbehinderten Kollegen zusammenarbeiten. „Hier steht einer für den anderen ein. Ich kann mich auf alle verlassen“, beschrieb Rita Böhler, stellvertretende Teamleiterin im Bereich Montage Zubehör Verpackung, dieses unproblematische Miteinander. Ein Miteinander, das sogar über die Arbeitszeit hinausreicht: Nach Feierabend stehen hin und wieder gemeinsame Aktivitäten wie etwa Wanderungen oder Restaurantbesuche auf dem Programm. Auch in den anderen Abteilungen tauschte sich Matthias Rösch interessiert mit den Mitarbeitern der Firma Eaton und den auf Außenarbeitsplätzen tätigen Beschäftigten der Stiftung Scheuern aus, erkundigte sich angeregt nach Arbeitsinhalten und weiteren Details. Eine Werkpräsentation und ein Abschlussgespräch rundeten den Besuch ab.