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Leistungen für MeH: Viele Facetten tragen zum Erfolg bei


„Da musste ich keine Sekunde lang überlegen“, sagt Frank Ritter. Denn: „Ich wusste vom ersten Moment an, dass es passt.“ Auf Anhieb wusste er, dass das Angebot der Stiftung Scheuern für ihn als von erworbener Hirnschädigung betroffenen Menschen genau das Richtige war – und bis heute ist.

Kurzer Rückblick: Im Juni 2016 erlitt Frank Ritter, damals 57, eine Hirnblutung. Mit gravierenden Folgen: Unter anderem konnte er nicht stehen, geschweige denn gehen. Auch eine Lähmung der linken Körperseite und eine Gesichtsfeld- und Wahrnehmungs-Einschränkung (Neglect), ebenfalls links, zog die Hirnblutung nach sich. Auf einen zwölftägigen Aufenthalt in einer Akutklinik folgten fünf Wochen Reha. Anfang September dann die Entlassung nach Hause, wo es mit ambulanter Physio- und Ergotherapie weiterging. So konnte er, auch dank einer Unterschenkelorthese, ein Stück weit seine Steh- und Gehfähigkeit verbessern. Aber war da nicht noch mehr drin?

Es war. Über einen Neuropsychologen erfuhr Frank Ritter von der Stiftung Scheuern und ihrem Angebot INTEGRA, das auf erwachsene Menschen mit erworbener Hirnschädigung spezialisiert ist. Dazu gehören neben Menschen, die wie Frank Ritter eine Hirnblutung erlitten haben oder deren Gehirn durch einen Unfall geschädigt wurde, unter anderem auch Schlaganfall- und Hirntumor-Patienten. Zur Orientierung: Die Gruppe der 18-bis 65-Jährigen, die aufgrund einer erworbenen Hirnschädigung eine schwere Behinderung haben, ist zahlenmäßig mit der Personengruppe der psychisch schwer Erkrankten vergleichbar und deutlich größer als die Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung.

Für Menschen mit erworbener Hirnschädigung stellt INTEGRA, das an den Standorten Nassau und Bad Ems Menschen aus ganz Deutschland betreut, ein vielfältiges Spektrum an Dienstleistungen bereit. Zu INTEGRA gehören sowohl zwei tagesstrukturierende Rehagruppen als auch spezielle Wohnangebote für Menschen mit erworbener Hirnschädigung. Zu diesen stationären kommen zahlreiche ambulante Hilfen, mit denen INTEGRA von erworbener Hirnschädigung betroffenen Menschen in ihrem häuslichen Umfeld zur Seite steht.

„Ein Alleinstellungsmerkmal, das uns in der weiteren Umgebung von ähnlichen Angeboten abhebt, ist das interdisziplinäre Arbeiten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stiftung Scheuern“, ergänzt Sonja Behnke, die die beiden INTEGRA-Rehagruppen leitet. Hier wäre zum Beispiel die enge Zusammenarbeit mit dem stiftungseigenen Therapiezentrum INTHERA zu nennen, das mit seinen physio- und ergotherapeutischen Angeboten in mehrfacher Hinsicht die Basis für das weitere Vorgehen legt. In vielen Fällen ist INTHERA bereits in den Aufnahmeprozess involviert. Nachdem INTEGRA-Case Managerin Michelle Reßmann potenzielle neue Klienten gemeinsam mit einem Kollegen in deren häuslichem Umfeld kennen gelernt und noch offene Fragen abgeklärt hat, schätzt INTHERA-Leiterin Carina Gräbke auf Wunsch den Therapie- und/oder Hilfsmittelbedarf ein.  „Am Ende schauen wir, ob wir der betreffenden Person ein Angebot machen können“, fasst Sonja Behnke den Aufnahmeprozess zusammen.

Im Fall von Frank Ritter lautete die Antwort eindeutig „Ja“. Seit August 2019 nimmt der 62-Jährige, nach der bei „Neuzugängen“ üblichen zweiwöchigen Hospitation, das tagesstrukturierende Angebot einer der beiden INTEGRA-Rehagruppen wahr. „Es tut gut, endlich wieder unter Menschen zu sein“, sagt der ehemalige Außendienst-Mitarbeiter, der sehr unter dem durch seine Behinderung erzwungenen Kontaktmangel litt. Das Angebot sei auch deshalb für ihn ideal, weil er nicht allein zu Hause sein kann, seine Frau aber ganztags berufstätig ist, fügt er hinzu.

Aber natürlich profitiert er nicht nur in sozialer Hinsicht. Bei INTHERA erhält er in Form einer zwei Mal wöchentlich durchgeführten Doppeleinheit ein umfassendes, passgenau auf seine gesundheitlichen Probleme zugeschnittenes Physio- und Ergotherapie-Angebot. „Wir Therapeuten arbeiten nach verschiedenen neurophysiologischen Konzepten wie zum Beispiel Bobath oder Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation. Aber auch andere Techniken oder Inhalte aus dem Lieblingssport wie etwa das Pratzentraining aus dem Boxsport fließen in die Therapie mit ein“, erklärt Carina Gräbke und betont: „Selbstverständlich bilden sich alle Therapeuten regelmäßig weiter. Zudem orientieren wir uns bei unserer Arbeit stets an den aktuellen Leitlinien, die unabhängige Ärzte-, Therapeuten- und Patientenverbände für das   betreffende Krankheitsbild erarbeitet haben.“ Während man mithilfe physiotherapeutischer Behandlungsmethoden vor allem bei der selbstständigen Mobilität Fortschritte erzielen kann, dient die Ergotherapie der Verbesserung der Feinmotorik, beinhaltet darüber hinaus aber auch ein Gesichtsfeld- und Wahrnehmungstraining sowie psychologische Aspekte der Betreuung.  

Allerdings, so Carina Gräbke: „Bei INTHERA arbeiten wir gewissermaßen unter Laborbedingungen. Wenn ein Klient hier Fortschritte macht, zum Beispiel besser gehen kann, heißt das noch lange nicht, dass er auch außerhalb des Therapiezentrums dazu in der Lage ist.“ Und genau hier trägt das intensive „Teamwork“ mit der Rehagruppe Früchte: Die Therapeuten informieren die Mitarbeiter der Rehagruppe über den Stand der Therapie, sodass das Erlernte in den Alltag umgesetzt werden kann. „Wir geben dem Klienten auch ein entsprechendes Hausaufgaben-Programm an die Hand“, erklärt Sonja Behnke und weist zudem auf die enge Zusammenarbeit hin, die INTEGRA und INTHERA mit externen Fachleuten wie zum Beispiel Ärzten, Neuropsychologen, Ergotherapeuten, Logopäden oder Mitarbeitern von Sanitätshäusern pflegen. Um die Klienten optimal versorgen zu können, blickt man in jeder Hinsicht weit über den eigenen Tellerrand hinaus und bezieht unter anderem auch die Angehörigen und gesetzlichen Betreuer in den Betreuungsprozess mit ein. Dem gegenseitigen Austausch dienen nicht zuletzt regelmäßige, vom Case Management organisierte Netzwerkgespräche.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Dienstleistungen der Stiftung Scheuern für Menschen mit erworbener Hirnschädigung in vielen Fällen zwar eng miteinander verzahnt, aber nicht zwangsläufig „aneinander gekettet“ sind. „Jeder kann unsere Angebote auch unabhängig von INTEGRA in Anspruch nehmen“, sagt INTHERA-Leiterin Carina Gräbke. Während die meisten Leistungen von INTEGRA zeitlich gesehen nach der medizinischen Rehabilitation ansetzen, kann INTHERA aber auch die INTEGRA-Rehagruppe bereits zu einem früheren Zeitpunkt tätig werden.

Keine Frage, Frank Ritter ist froh, hier „gelandet“ zu sein. „Meine Gehfähigkeit hat sich deutlich verbessert“, berichtet er. Inzwischen ist er nicht mehr durchgängig auf den Rollstuhl angewiesen, sondern kann kurze Strecken am Walking-Stock zurücklegen. Aber natürlich hat er noch weitere Ziele vor Augen. „Ich wünsche mir, eines Tages wieder Roller oder Auto fahren zu können“, sagt er.