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Ohne Berührungsängste: Schüler des Leifheit-Campus besuchen Menschen in der Stiftung Scheuern


Rund 50 Kinder der Klassenstufe sechs des Leifheit-Campus sind in eine Welt eingetaucht, die den meisten von ihnen zuvor unbekannt war. Im Rahmen des Sozialtags besuchten sie die Stiftung Scheuern und verbrachten einen Vormittag mit beeinträchtigten Menschen und jenen, die sie betreuen, fördern und mit ihnen arbeiten.

Bereits im März hatten das Privatgymnasium und die Stiftung Scheuern den gegenseitigen Austausch nach langer Corona-Pause wiederaufleben lassen. Nachdem Menschen aus der Stiftung Scheuern mit den Kindern der fünften Klassen am Leifheit-Campus in verschiedenen Workshops gemeinsam gebastelt und gemalt hatten, stand jetzt der Gegenbesuch in der Stiftung Scheuern an.

Aufgeteilt in Kleingruppen, geht es in Wohngruppen, Tagesförderstätten und Werkstätten. Aber auch zwei Workshops stehen zur Wahl, in denen es um die Erweiterung des Horizonts und um Barrierefreiheit ging. Egal, worauf die Wahl fällt: Eindrucksvolle Begegnungen und neue Einblicke nehmen am Ende des Tages alle mit nach Hause.

In der Tagesförderstätte (TaFö) duftet es nach Frischgebackenem. Mareile Erdmann, Besucherin der Tagesförderstätte, hat mit ihrer Betreuerin Anette Horbach Teig vorbereitet. Mithilfe des Powerlinks, einer speziellen Unterstützungshilfe für die Bedienung der Kuchenmaschine, ist das auch für beeinträchtigte Menschen möglich. Schließlich will die TaFö-Gruppe ihre Gäste Mathilda und Amelie vom Leifheit-Campus besonders willkommen heißen. Die Überraschung ist gelungen! Fix werden die Streuseltaler gemeinsam gebacken. Eine tolle Gelegenheit, um miteinander warmzuwerden.

Die beiden Mädchen vom Nassauer Gymnasium fühlen sich gleich wohl. Auch Susanne Nolte, Laura Ruhe und Udo Braconier freuen sich auf die duftenden Teilchen, die sie zuvor belegt haben. Wie ist es für die Sechstklässlerinnen, Menschen kennenzulernen, die im Rollstuhl sitzen oder nicht richtig sprechen können? „Ein bisschen ungewohnt, aber man gewöhnt sich schnell dran“, bringt es Amelie auf den Punkt. Sie und Mathilda haben keine Berührungsängste.

Einen Raum weiter entstehen kurz darauf tolle Kunstwerke. Tagesförderstätten-Besucherin Nathalie Daoihra wartet schon ungeduldig auf die Mädchen. Mathilda und Amelie helfen ihr beim Blumendruck auf Leinwand. Gleich wird gefachsimpelt. „Mach noch ein bisschen Gold drauf, dann sieht die Hortensienblüte schöner aus.“ Gesagt, getan: Schwupps wird mit dem Pinsel neue Farbe auf die Noppenfolie aufgetragen, die über einen Becher gespannt ist. Natalie stempelt damit fleißig auf die Leinwände und bekommt gar nicht genug davon.

Die Zeit vergeht für alle wie im Flug. Die Mädchen vom Leifheit-Campus verspüren keinerlei Langeweile in der Tagesförderstätte. Beide können sich gut vorstellen, später einen sozialen Beruf zu ergreifen. Dass sie eine Gabe dafür haben, spürt man sofort. Natalie fühlt sich besonders zu Mathilda hingezogen. Es liegt wohl an ihrer freundlichen Ausstrahlung. Auf die Frage, ob sie eine Idee haben, wo sie später mal arbeiten möchte, sagt Mathilda prompt: „Hier in der Stiftung Scheuern.“ Die Mitarbeiterinnen Emelie Stein und Lea-Sophie Lichtner strahlen, als sie das hören. Sie sind überzeugt, dass der Austausch mit den beiden Mädchen vom Leifheit-Campus gelungen ist.

Stina und Yvaine besuchen an diesem Morgen die Tagesförderstätte im Haus Bodelschwingh. Die Mädchen sitzen entspannt mit der Gruppe am Tisch, als würden sie schon lange dazu gehören. Auf die Frage, wie sie sich fühlen, gehen spontan die Daumen hoch.

 „Ja, das passt“, spornt Yvaine ihr Gegenüber Elli Stipps an und hilft der TaFö-Besucherin, das richtige Puzzlestück einzusetzen. Gepuzzelt wird hier zum Spaß und zur Stärkung der motorischen Fähigkeiten. Die Mädchen lernen, dass in der Tagesförderstätte Therapien in den Betreuungsalltag eingebettet sind und machen erste eigene Erfahrungen. Stina und Yvaine schauen sich die basalen Angebote an. Gitta Titsch sitzt auf einem Stuhl und lässt ihre Hände durch Rapssamen in einer Schüssel gleiten. „Das entspannt meine Hände und die Spastik löst sich“, sagt Gitta Titsch. „Das tut mir gut und meine Hände öffnen sich.“ Stina und Yvaine greifen neugierig auch selbst in das Rapssamenbecken. Ihre Haut wird glatt, glänzend und etwas ölig. „Das ist richtig cool“, sagt Stina und schaut sich begeistert ihre Hände an. Elli sitzt unterdessen am Tisch gegenüber und kann es gar nicht erwarten, dass die Mädchen wieder zu ihr kommen. „Kommst Du jetzt zu mir?“, fordert sie die Zuwendung ein.

In der Tagesförderstätte, so lernen die Mädchen, gibt es arbeitspädagogische Themen. In dieser Gruppe bekleben Menschen im Auftrag einer Koblenzer Rösterei an vielen einzelnen Stationen Kaffeetüten mit Etiketten. Diese kleinteilige Form und Verteilung von Aufgaben sorgt dafür, dass jeder mitmachen kann. Das haben die Kinder so noch nicht erlebt. Sie staunen, was alles möglich ist, damit Menschen beteiligt werden und stolz auf ihre Arbeit sein können.

Die Schülerinnen Mathilda und Amelie helfen einer Besucherin der Tagesförderstätte beim Blumendruck auf Leinwand.