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Wenn aus Skepsis 37 Jahre werden


Günther Mesloh war mit Herzblut Freizeitpädagoge der Stiftung Scheuern – Wer tritt in seine Fußstapfen?

„Anfangs dachte ich, da bleibe ich nicht lang“, erinnert sich Günther Mesloh. Der Grund für seine Skepsis: „Es war sehr ungewohnt für mich, mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten.“ Dass er damals, im August 1983, als Sportlehrer bei der Stiftung Scheuern angeheuert hat, sei mehr oder weniger Zufall gewesen, erzählt Mesloh: „Ich kam aus Dubai zurück, wo ich nach meinem Studienabschluss an der Sporthochschule Köln ein Jahr lang zusammen mit einem Kollegen die Leichtathletik-Nationalmannschaft trainiert hatte, und erfuhr über Mundpropaganda, dass man in Scheuern einen Sportlehrer sucht.“ Prompt wurde er zum Vorstellungsgespräch eingeladen und machte unter mehr als 30 Bewerbern das Rennen – Beginn einer beruflichen Laufbahn, die seine anfänglichen Zweifel mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund treten und aus dem Vorsatz „Da bleibe ich nicht lang“ am Ende 37 Jahre werden ließ.

„Rückblickend war es die richtige Entscheidung“, resümiert Günther Mesloh, der als Ruheständler seine Tätigkeit für die Menschen in der Stiftung Scheuern im April beendet hat, und fügt hinzu: „Es ist einfach toll, was man von Menschen mit Behinderung zurückbekommt, wenn man sich für sie einsetzt. Das hätte ich als Sportlehrer in einer Schule so vermutlich nicht unbedingt erlebt. Außerdem war ich in der Stiftung an keinen Lehrplan gebunden und hatte jede Menge Gestaltungsmöglichkeiten.“ Von verschiedenen Ballspielen über Schwimmen bis hin zur Leichtathletik hat Günther Mesloh zahllose Sportangebote ins Leben gerufen. Großen Anklang fand nicht zuletzt auch die von ihm gegründete Lauf- und Walkinggruppe „Run for Fun Team“, die bei Veranstaltungen gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung an den Start ging – ein Stück gelebte Inklusion in Bewegung, wenn man so will.  „Zu Glanzzeiten haben wir an mindestens 15 Läufen pro Jahr teilgenommen“, erzählt Günther Mesloh und erinnert sich natürlich auch noch lebhaft an die erste Skifreizeit, die er 1998 organisiert hat: „Weil die Angst, dass sich die Bewohner beim Skifahren verletzen könnten, am Anfang sehr groß war, sind wir mit nur sechs Teilnehmern an den Start gegangen. Aber die sind so begeistert zurückgekommen, dass von Mal zu Mal mehr Menschen teilgenommen haben.“ Und: Während anfangs ausschließlich Langlauf auf dem Programm stand, haben sich einige mit der Zeit auch an das alpine Skifahren herangetraut. In strahlende Gesichter habe er dann geschaut – wie immer, wenn er die Scheuerner Sportler zu etwas für sie Ungewohntem, vor dem sie erstmal zurückschreckten, habe motivieren können, erinnert er sich: „Wenn sie es geschafft hatten, ihre Angst zu überwinden, waren sie unglaublich stolz auf sich.“

Nicht nur während der Skisaison, sondern das ganze Jahr über haben Günther Mesloh und seine Familie, die immer tatkräftig mit angepackt hat, Freizeiten für die Bewohnerinnen und Bewohner der Stiftung Scheuern angeboten, die er, ebenso wie die Teilnahme an den Wettbewerben von Special Olympics, als „Highlights“ bezeichnet: „Dabei lernt man die Bewohner nochmal viel besser kennen und sieht zum Beispiel, wie hilfsbereit viele von ihnen sind.“

Auch wenn er seinem Arbeitgeber, wie bereits erwähnt, 37 Jahre lang treu blieb: Die eine oder andere berufliche Veränderung hat es für Günther Mesloh in der langen Zeit natürlich trotzdem gegeben. So war er in den ersten 17 Jahren als Sportlehrer im Wohnbereich eingesetzt. Tagsüber betreute er komplette Wohngruppen inklusive der Mitarbeitenden, von denen manche anschließend die eine oder andere Übung in ihren Arbeitsalltag integrierten. Abends hielt er Gruppenangebote in verschiedenen Sportarten vor. „Dabei hat über die Hälfte der Bewohner mitgemacht“, erzählt er nicht ohne Stolz.

Ab 2000 war er dann in der Werkstatt Langauer Mühle tätig, bevor 2008 der nächste Wechsel anstand. In der Stiftung Scheuern wurde die Stelle eines Freizeitpädagogen ausgeschrieben, die Günther Mesloh wie auf den Leib geschnitten war. „Als Freizeitpädagoge war ich mit jeweils 20 Stunden meiner Wochenarbeitszeit für Sportangebote sowie für die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zuständig. Das war nicht nur sehr abwechslungsreich, sondern auch insofern eine coole Sache, als man auf diese Weise sehr viel bewirken und aufbauen konnte.“

Mit so viel Herzblut war Günther Mesloh bei der Sache, dass er der Stiftung Scheuern und ihren Menschen nach seinem Eintritt in den Ruhestand noch rund vier Jahre lang mit sechs Stunden pro Woche erhalten blieb. Ein Glück, denn so war es möglich, weiterhin die Badminton-, Lauf- und Walking sowie Tischtennis-Gruppe anzubieten. Seit April ist nun aber tatsächlich Schluss: Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen ist Günther Mesloh jetzt nur noch als Privatmensch unterwegs.

Was so viel bedeutet wie: Es muss ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für ihn gefunden werden. Die Stiftung Scheuern schreibt eine Stelle als „Freizeitgestalter (m/w/d) für drinnen und draußen im Raum Nassau und Umgebung“ aus, die sich auch sehr gut für mehrere Personen eignet. Wie die Bezeichnung es schon erahnen lässt: Freizeitgestalter gestalten die Freizeit einer Gruppe von Klienten – zum Beispiel als Übungsleiter für Sport (Badminton, Tischtennis, Tanzen, Laufen und Schwimmen, falls Ausbildung als Rettungsschwimmer vorhanden), aber auch als Begleiter zu Kulturveranstaltungen oder Spiel- und Spaßangeboten (Discofahrten, Freizeitparkbesuche, Bowling und vieles mehr). Die Vergütung erfolgt im Rahmen der Übungsleiterpauschale, im Mini- oder Midijob oder auf Honorarbasis. Die Tätigkeit als Freizeitgestalter oder Freizeitgestalterin ist ideal für Menschen, die sich neben ihrem (Berufs-)Alltag, als Student oder Quereinsteiger sozial engagieren möchten.

Sicher, auch die Arbeit als Freizeitpädagoge – oder Freizeitgestalter – für Menschen mit Behinderung kann ganz schön anstrengend sein. Aber, so unterstreicht Günther Mesloh noch einmal: „Die Rückmeldung, die man von diesen Menschen bekommt, lohnt die Mühe allemal.“